Wissen/ Vorsorgevollmacht

 

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Mit einer Vorsorgevollmacht bevollmächtigt nach deutschem Recht eine Person eine andere Person, im Falle einer Notsituation alle oder bestimmte Aufgaben für den Vollmachtgeber zu erledigen. Mit der Vorsorgevollmacht wird der Bevollmächtigte zum Vertreter im Willen, d.h. er entscheidet an Stelle des nicht mehr entscheidungsfähigen Vollmachtgebers. Deshalb setzt eine Vorsorgevollmacht unbedingtes und uneingeschränktes persönliches Vertrauen zum Bevollmächtigten voraus und sollte nicht leichtfertig erteilt werden. Die Rechtsgrundlage für das Handeln des Bevollmächtigten findet sich in §§ 164 ff. BGB, das Verhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigten (sog. Auftrag) in §§ 662 ff. BGB.

 

Davon zu unterscheiden ist die Patientenverfügung, bei der der Verfügende im Voraus Anweisungen erteilt, wie er nach seinem Willen als Patient ärztlich behandelt werden möchte, wenn er nicht mehr in der Lage ist, selber darüber zu entscheiden. Arzt und Bevollmächtigter oder Betreuer müssen nach den Vorgaben der Patientenverfügung handeln, es sei den, dass ihnen dies aus Gewissensgründen nicht möglich ist, oder sie sich auf den § 34 StGB (Rechtfertigender Not-stand) berufen können. Es ist ratsam in der Vorsorgevollmacht zu erwähnen, dass der Bevollmächtigte an eine Patientenverfügung gebunden ist. Sonst kann der Bevollmächtigte allein nach seinem Ermessen entscheiden.

 

Von der Patientenverfügung muss die Betreuungsverfügung abgegrenzt werden, bei der der Verfügende dem Gericht einen Vorschlag für die Person des zu bestellenden Betreuers unter-breitet und in der der Verfügende auch alles festlegen kann, was hier zur Vorsorgevollmacht ausgeführt wird.

 

Die Abgrenzung von Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung liegt vor allem darin dass die Vorsorgevollmacht auf grenzenloses und unkontrolliertes Vertrauen setzt, während die Betreu-ungsverfügung erst dann Wirkung entfaltet, wenn das Gericht es entsprechend der gesundheitlichen Situation des Verfügenden für erforderlich hält, dass die Handlungsvollmacht dem vom Verfügenden Vorgeschlagenen übertragen wird und die Verfügung dann unter gerichtl-icher Kontrolle steht. D.h. das Gericht wacht über die Einhaltung der Verfügung und z.B. über jeden Ein- und Ausgang auf den Konten des Verfügenden.

 

Der "Nachteil" der Betreuungsverfügung besteht darin, dass der Betreuer bezahlt wird. Es gibt gesetzliche Regelungen zur Bezahlung des Betreuers. Ein Berufsbetreuer mit Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erhält z.B. derzeit € 44,--/Std. im Rahmen einer seit dem 1.7.05 geregelten Vergütungspauschalierung. Der Ehrenamtliche Betreuer (Freund, Familienangehörige, sonstige Dritte) erhält eine Aufwandsauschale von derzeit € 323,--/Jahr (§ 18356a BGB).

 

Es ist ja auch gerechtfertigt, das der Handlungsbeauftragte wie z.B. der Betreuer für die überwiegend sehr aufwändige, z.T. sehr schwierige Tätigkeit eine Vergütung erhält.

 

Eine andere Sache ist, wer den Betreuer bezahlt. Dies richtet sich nach den Maßstäben des jetzigen SGB XII( vgl. §§ 1836 ff BGB). Ist der Verfügende mittellos, muss die Justizkasse den Betreuer bezahlen. Ist der Verfügende vermögend, muss er selbst den Betreuer bezahlen.
Auch die Vorsorgevollmacht sollte daher eine Regelung über die Vergütung und Auslagen des Bevollmächtigten enthalten, muss aber nicht. Bei der Vorsorgevollmacht muss der Verfügende in jedem Fall den Bevollmächtigten selbst bezahlen.


Der Vorteil der Vorsorgevollmacht besteht darin, dass der Bevollmächtigte, der Kenntnis von der Vollmacht hat, sofort nach Kenntnis von der Notsituation handeln kann und nicht erst wie bei der Betreuung eine gerichtliche Bestellung erfolgen muss. Der Bevollmächtigte unterliegt auch nicht in einem solchen Maße der vormundschaftlichsgerichtlichen Kontrolle bei der Vermögensverwaltung wie ein gerichtlich bestellter Betreuer.


Der Bevollmächtigte kann bis auf Ausnahmen je nach Formulierung der Vorsorgevollmacht in vollem Umfange über das Vermögen des Vollmachtgebers verfügen und braucht keine Rechenschaft ablegen. Bei Gefahr des Missbrauchs der Vollmacht kann das Vormundschaftsgericht einen Kontrollbetreuer bestellen, soweit es überhaupt Kenntnis von dem Missbrauch erlangt. Aber auch in die Vorsorgevollmacht kann ein Kontrollbevollmächtigter installiert werden, der jedoch nur die vom Verfügenden bereitgestellten Rechte besitzt. Der Kontrollbetreuer kann ebenfalls bei Missbrauch nicht viel ausrichten. In letzter Konsequenz kann der Kontrollbetreuer die Vollmacht bei Missbrauch insgesamt widerrufen und damit zunichte machen.

 

Denn die fehlende Kontrolle kann ein Nachteil der Vorsorgevollmacht bedeuten, wenn beispielsweise der bevollmächtigte Familienangehörige aufgrund einer neuen Situation, wie einer neuen Partnerschaft, andere Interessen verfolgt, als für den Vollmachtgeber vorhersehbar war. Auch hat die Vorsorgevollmacht weniger Akzeptanz im Rechtsverkehr, als ein vom Gericht bestellter Betreuer. Insbesondere die Banken verlangen häufig, dass dort persönlich eine formularmäßige Bank-Vollmacht des jeweiligen Kreditinstitutes ausgefüllt wird.

 

Meist wird eine Vorsorgevollmacht in der Befürchtung getroffen, ein fremder Dritter könnte als Betreuer bestellt werden. Dies ist aber nicht gängige Praxis, da das Vormundschaftsgericht gesetzlich verpflichtet ist, bei der Wahl des Betreuers den Ehegatten und die Verwandten ersten Grades vorrangig zu berücksichtigen.

 

Der Vorteil der Vorsorgevollmacht gegenüber der Betreuung ist auch darin zu sehen, dass mit der Vollmachtserteilung das Grundrecht auf Selbstbestimmung zum Ausdruck gebracht wird.

 

Die Selbstbestimmung kann man aber ebenso gut in einer Betreuungsverfügung zum Ausdruck bringen. Selbstbestimmung bedeutet ja nicht, dass auf Kontrolle vollständig verzichtet wird.

 

Betreuungsverfügung und/oder Vollmacht sollten in jedem Fall frühzeitig sorgfältig formuliert werden. Anzuraten ist auch, dass Beratungen von mehreren Stellen in Anspruch genommen werden. Denn ohne Zweifel ist der Vorteil der Vorsorge gegenüber der Betreuung ohne vorsorgliche Verfügung, dass sie individuell auf die persönliche Situation zugeschnitten werden kann. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Vorteil ist darin zu sehen, dass sie jederzeit wieder zurückgezogen werden kann, solange man dazu noch selbst in der Lage ist (Geschäftsfähigkeit).

 

Eine Vorsorgevollmacht schützt aber den Betroffenen nicht, wenn dieser im Zustand der Geschäftsunfähigkeit Geschäfte zu seinen Ungunsten abschließt. Dann muß die Geschäftsunfähigkeit nachgewiesen werden. Das entfällt, wenn eine Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt eingerichtet wird.

 

Die Vorsorgevollmacht kann sich auf alle rechtlich relevanten Handlungen beziehen, bei denen Stellvertretung zulässig ist, also beispielsweise nicht auf Eheschließung, Testament oder Ausübung des Wahlrechtes.

 

Die Genehmigungsvorbehalte des BGB bei Heilbehandlung und Freiheitsentziehung (§§ 1904, 1906 BGB) für den Betreuer gelten auch für den Vorsorgevollmachtnehmer, Bevollmächtigten.

 

Die Entscheidung über eine geschlossene Unterbringung, die Entscheidung unterbringungs-ähnlicher Maßnahmen wie das Festbinden am Bett, Anschnallen im Rollstuhl, Sedierung mit Medikamenten oder Einwilligungen in Behandlungen, die als gefährlich gelten, darf nur mit vorheriger richterlicher Genehmigung geschehen. § 1904 und § 1906 BGB) sind zu beachten. Bei dringender Gefahr in Verzug – beispielsweise bei Stürzen aus dem Bett mit Gefahr des Oberschenkelhalsbruches eines Pflegeheimbewohner – kann der Bevollmächtigte eine vorläufige Entscheidung über die Anbringung der Bettgitter (unterbringungsähnliche Maßnahme) treffen, hat aber zugleich unverzüglich eine gerichtliche Entscheidung zu beantragen.

 

Das Gericht kann einen Betreuer mit dem Aufgabenkreis „Überwachung des Bevollmächtigten“ bestellen. In der Praxis bezieht sie sich meist auf folgende Gegenstände (Beispiele nicht abschließend):

 

  • ärztliche und pflegerische Maßnahmen

  • Bestimmung des Aufenthaltsorts (Übersiedlung in ein Alters- oder Pflegeheim, Krankenhausaufenthalt)

  • Vermögensangelegenheiten (Haushaltsauflösung, Bankgeschäfte)

  • Behörden-, Renten-; Sozialhilfeangelegenheiten

  • Entscheidung über unterbringungsähnliche Maßnahmen

  • Entscheidung über Unterbringung (geschlossene Psychiatrie)

Eine bestimmte Form ist für die Vorsorgevollmacht zwar nicht vorgeschrieben, der Bevollmächtigte wird sich aber gegenüber Dritten nur durchsetzen können, wenn er über eine schriftliche Vollmacht verfügt. Erfahrungen der Praxis legen nahe, Vorsorgevollmachten, die sich auch auf Vermögensgeschäfte beziehen, notariell beglaubigen zu lassen, weil Vermietungsunternehmen und insbesondere Banken sich oft nicht mit privatschriftlichen Urkunden zufrieden geben. Für Grundstücksgeschäfte ist eine notariell beglaubigte oder beurkundete Vollmacht notwendig.

 

Die Vorsorgevollmacht kann jederzeit ohne Einhaltung einer Form widerrufen werden.

 

Eine wirksame Vorsorgevollmacht setzt aber voraus, dass der Vollmachtgeber bei der Beurkundung geschäftsfähig war. Eine Patientenverfügung kann dagegen schon bei Einwilligungsfähigkeit rechtswirksam eingerichtet werden. Die Geschäftsfähigkeit wird auch nicht durch eine notarielle Beurkundung ersetzt oder bewiesen, zumal in der Praxis die meisten Notare nicht die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgeber überprüfen, bzw. dazu in der Lage wären, wenn eine Altersdemenz oder psychische oder geistige Behinderung vorliegt. Hat das Amtsgericht Zweifel an der Rechtskraft der Vollmacht, kann es einen Betreuer einsetzen. Insofern ist es ratsam ein Attest einzuholen, dass die Geschäftsfähigkeit belegt, indem die Fähigkeit zur freien Willensbildung bescheinigt wird.

 

Die Errichtung in notarieller Form ist aber sinnvoll und wichtig, da der Notar umfassend über die Rechtswirkungen und den Inhalt der Vorsorgevollmacht berät, Feststellungen zur Geschäftsfähigkeit trifft und vor allem vor einer fehlerhaften Abfassung der Vollmacht schützt. Sofern die Vollmacht auch zu Grundstücksgeschäften tauglich sein soll, ist eine notarielle Beurkundung ohnehin unerlässlich, da Grundstücksgeschäfte ansonsten nicht vorgenommen werden können.

 

Für eine Betreuungsverfügung können Sie als Vorlage jeden Entwurf einer Vorsorgevollmacht verwenden. Sie müssen sie nur in Betreuungsverfügung umbenennen. Abzuraten ist aber in jedem Fall von formularmäßig formulierten Vordrucken, die man nur noch ankreuzen und/oder unterschreiben muss.

 

Sowohl Vorsorgevollmacht als auch Betreuungsverfügung müssen dem Vormundschaftsgericht vorgelegt werden, wenn man Kenntnis von einem gerichtlichen Betreuungsverfahren hat (§ 1901 a BGB). Das ist sinnvoll, weil durch eine Vollmacht die Betreuung ja überflüssig gemacht werden soll (§ 1896 Abs. 2 BGB) und durch eine Betreuungsverfügung Wünsche zur Betreuerauswahl enthalten kann (§ 1897 Abs. 4 BGB).

 

Zentrales Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer (BNotK)

 

Die Bundesnotarkammer führt das Zentrale Vorsorgeregister, in dem Vorsorgevollmachten eingetragen werden können, um den Vormundschafsgerichten bei Bedarf die Suche nach einem Bevollmächtigten zu erleichtern, bzw. eine Verfahren zur Bestellung eines Betreuers durch das Vormundschaftsgericht zu vermeiden. Das gesetzliche Betreuungsverfahren (§§ 1896 ff BGB) ist subsidiär, das bedeutet eine Betreuer soll nur bestellt werden, wenn dazu Bedarf besteht; bei Vorliegen einer wirksamen Vorsorgevollmacht besteht dieser Bedarf in der Regel nicht.

 

Dieses Vorsorgeregister wurde von der BNotK in Eigenregie aufgebaut und war nur für die Eintragung von notariell beurkundeten Vorsorgevollmachten offen. Aufgrund einer Gesetzes-änderung zum 31. Juli 2004 (Änderung der Bundesnotarordnung (BNotO) und ergänzender Rechtsnormen können seit 1.3.2005 auch privatschriftliche Vorsorgevollmachten registriert werden. Die Registrierung ist gebührenpflichtig (üblicherweise 18 Euro). Auskunft erhält das Vormundschaftsgericht.

 

Auch eine Reihe privater Dienste und Verbände bietet die Registrierung von Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen/Betreuungsverfügungen gegen Entgelt an. Dies ist eine Ergänzung zum zentralen Vorsorgeregister. Vorteile: das zentrale Vorsorgeregister wird mit ziemlicher Sicherheit im Falle des Falles vom Gericht abgefragt. Anderseits bekommen Betreuungsbehörden, Ärzte, Krankenhäuser von diesem keine Auskunft. Private Register bieten i.d.R. die Abfragemöglichkeit für alle und eine dem Organspenderausweis ähnliche Karte für die Brieftasche mit 24-Stunden-Telefonservice. Es ist aber wiederum nicht sicher, dass solche Dokumente aufgefunden werden. Daher sollte man ggf. beides kombinieren.

 

Seit 1.7.2005 bieten die kommunalen Betreuungsbehörden (Stadt/Landkreis) aufgrund einer Gesetzesänderung (2. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes) eine öffentliche Beglaubigung von Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen an (§ 6 Betreuungsbehördengesetz). Die Beglaubigung soll die Akzeptanz im Rechtsverkehr erhöhen und kostet 10 Euro Gebühr. Anerkannte Betreuungsvereine dürfen seit dem 1.7.2005 Personen beraten, die eine Vorsorge-vollmacht errichten wollen. Zuvor war die Beratung nur durch Notare möglich, was auch weiterhin geht, zwar teurer ist, aber in der Regel ist eine notariell beurkundete Vollmacht im Rechtsverkehr besonders sicher und anerkannt.

 

Betreuungsverfügungen (keine Vorsorgevollmachten) können in einigen Bundesländern (z.B. Hessen, Thüringen) bei den Vormundschaftsgerichten hinterlegt werden.