Medikamente/ Stimmungsstabilisierer

 

„Bei all unserer Konversation erinnere ich mich lebhaft an [Robert Lowell’s] Worte über das neue Medikament, Lithiumcarbonat, welches solch gute Erfolge zeigte und ihm Grund zu glauben gab, dass er geheilt war: „Es ist schrecklich, Bob, zu denken, dass alles, was ich erlitten habe, und all das Leid, das ich verursacht habe, vom Mangel eines Körnchens Salz in meinem Gehirn herrührt.“

 

- Robert Giroux (selbst übersetzt aus Frederick K. Goodwin & Kay Redfield Jamison: Manic depressive illness, 1990, Oxford University Press)”

 

„Niemand sagt voraus, wie lange es dauert, bis die Medikamente Wirkung zeigen & [Robert Lowell] beginnt, wieder er selbst zu sein. In der Zwischenzeit schreibt er und prüft Übersetzungen aufbrausend und mit einer Art betrügerischer Brillanz und spricht über sich selbst in Verbindung mit Achilles, Alexander, Hart Crane, Hitler und Christus, und bricht dein Herz".

 

- William Meredith (selbst übersetzt aus Frederick K. Goodwin & Kay Redfield Jamison: Manic depressive illness, 1990, Oxford University Press)”

 

Bei allen Formen bipolarer Störungen werden zur Therapie in allen Behandlungsphasen Stimmungsstabilisierer eingesetzt. Diese besitzen im Idealfall sowohl antimanische als auch antidepressive Wirkungen und können mit hohen Prozentsätzen Episoden verhindern bzw. auf Jahre hinauszögern. Die Nebenwirkungen sollten so gering wie möglich sein.  

Als Stimmungsstabilisierer werden eingesetzt: Lithium, Carbamazepin und Valproat.

 

Lithium

Regeln für das Leben mit Lithium (aus Kay Redfield Jamison: Meine ruhelose Seele)

1. Verbanne die Medikamente aus deiner Hausapotheke, wenn du Gäste erwartest oder dein neuer Freund über Nacht bleibt.

 

2. Vergiss nicht, das Lithium am nächsten Tag dorthin zurückzustellen.

 

3. Es sollte die nicht peinlich sein, wenn du dich unkoordiniert bewegst oder Sportarten, die die früher leicht gefallen sind, nicht mehr ausüben kannst.

 

4. Lerne, über verschütteten Kaffee zu lachen,  über deine zittrige Unterschrift, die an eine Achtzigjährig erinnert, oder über deine Unfähigkeit, Manschettenknöpfe in wenigen Minuten anzulegen.

 

5. Nicke voller Überzeugung und mit möglichst intelligentem Gesichtsausdruck, wenn dir dein Arzt erklärt, wie viele Vorteile Lithium dir bei der Normalisierung deines chaotischen Lebens bietet.

 

6. Warte geduldig auf diese Normalisierung,. Lies das Buch Hiob wieder. Habe weiterhin Geduld. Betrachte die Ähnlichkeit zwischen den Ausdrücken „geduldig sein“ und „Patient sein“.

 

7. Versuche dich nicht darüber zu ärgern, dass du nur mit Mühe lesen kannst. Sieh es philosophisch Selbst wenn du mühelos lesen könntest, würdest du ohnehin nicht alles behalten.

 

8. Finde dich mit einem gewissen Verlust an Schwung und Begeisterungsfähigkeit ab – und vergiss das, was du früher einmal hattest. Denke am besten nicht an die wilden Nächte von früher. Es wäre wahrscheinlich ohnehin besser, wenn du solche Nächte nie gehabt hättest.

 

9. Denke immer daran, dass es dir jetzt viel besser geht. Das bekommst du jetzt sowieso oft genug von allen Seiten gesagt – und auch wenn du es nicht gerne hörst: Wahrscheinlich stimmt es.

 

10. Sei vernünftig! Denke erst gar nicht darüber nach, das Lithium abzusetzen.

 

11. Und falls du es doch absetzt und wieder manisch und depressiv wirst, mache dich auf folgende Kommentare von deiner Familie und deinen Freunden gefasst:  

Aber dir ging’s doch so gut – ich verstehe das gar nicht.

Hab ich dir nicht gesagt, dass es so kommen würde…?           

                     

12. Fülle deine Hausapotheke wieder auf.

Lithium ist das älteste, zur Behandlung bipolarer Störungen benutzte Mittel 1. Wahl. Seine dämpfende Wirkung auf Mäuse wurde 1949 von dem Australier Dr. John Cade beschrieben. Der Dänische Psychiater Mogens Schou, aus dessen Familie Personen manisch-depressiv erkrankt waren, las die weitgehend unbeachtete Arbeit und setzte Lithium mit Erfolg bei bipolar erkrankten Patienten ein.

Lithium wird als Salz eingenommen. Seine Wirkungsweise ist nicht bis in alle Einzelheiten bekannt. Wissenschaftler vermuten, dass Lithium wahrscheinlich im Inneren der Zelle jenseits der Übertragungsstellen (Synapsen) seine Wirkungen entfaltet. Bevorzugt werden Retardformen (längere und gleichmäßige Abgabe zur Erzielung eines gleichmäßigen Lithiumspiegels im Blut). Handelsnamen: Hypnorex ®, Li-Aspartat ®, Li-Carbonat Braun ®, Li-Duriles ®, Li-Orotat ® und Quilorum ®.

Therapeutischer Bereich: 0,6 - 0,8 mmol/l (sprich: Millimol pro Liter) zur Rückfallverhütung; in der Akutphase: 1,0 – 1,2 mmol/l

Toxischer (giftiger) Bereich: über 1,5 mmol/l

Eine regelmäßige Kontrolle des Lithiumspiegels ist zur Vermeidung einer Vergiftung unbedingt erforderlich. Während Schwangerschaft und Stillzeit muss es abgesetzt werden, weil es über die Plazenta abgegeben wird und in der Muttermilch nachweisbar ist.

Auf der Seite des Vereins Horizonte e. V. finden Sie zu Lithium im Medikamentenverzeichnis folgende Eintragung:

Es würde den Rahmen dieser Homepage sprengen, jetzt alle anderen Medikamente in gleicher Weise aufzuführen. In Kürze:

Carbamazepin

Carbamazepin ist ein Medikament, das zunächst zur Behandlung epileptischer Patienten eingesetzt wurde. Anfang der 80-iger Jahre entdeckte man die stabilisierende Wirkung des Medikamentes auf Stimmung und Unruhezustände. Das trizyklische Carbamazepin blockiert spannungsabhängige Na-Kanäle und hemmt die Ausbreitung elektrischer Erregung im GABA-System

(Gamma-Amino-Butter-Säure (engl. Acid)).

Carbamazepin muß langsam steigernd bis zur Höchstdosis aufgebaut werden, um Übelkeit und Schwindel zu vermeiden. Der Blutspiegel muß anfangs wie beim Lithium wöchentlich gemessen werden. Er muß bei 8 – 12 pg/ml liegen.

Dosierung: In einer akuten Phase werden 600 bis 800 mg und mehr pro Tag verabreicht.

Behandlungsindikation: Phasenprophylaxe bipolarer Störungen

Nebenwirkungen: Müdigkeit, Benommenheit, Schwindel, Ataxie, Sehstörungen und Doppelbilder, Übelkeit, Erbrechen, Hyponatriämie, Leberwertanstiege, Allergische Hautreaktionen, Blutbildveränderungen und Störungen der Herzfunktion

Blutbildveränderungen mit Absinken der weißen oder roten Blutkörperchen und auch der Blutplättchen (Thrombozyten) sind möglich. Häufige Kontrolle ist erforderlich, weil sonst lebensbedrohliche Zustände entstehen könnten.

Gegenanzeigen (Kontraindikation): gestiegene Leberwerte können zum Absetzen zwingen.

Wirkungsweise: Antiepileptikum mit antimanischer und phasenprophylaktischer Wirkung auf das GABA-System

Wechselwirkungen (mit anderen Medikamenten): In Kombination mit Lithium erhöhte Neurotoxizität, Wechselseitige Beeinflussung von Plasmaspiegeln bei einer Vielzahl von Medikamenten (Erhöhungen oder Erniedrigungen), mit Diuretika vermehrt Gefahr der Hyponatriämie (Verminderung der Natriumkonzentration im Blut unter 135 mmol/l), Verminderung der kontrazeptiven Wirkung von Ovulationshemmern

Cave (Vorsicht): Enzyminduktion bei Carbamazepin, die bei gleichzeitiger Verabreichung anderer Medikamente (Neuroleptika, Antidepressiva) berücksichtigt werden muss, ggf. ist eine Dosisanpassung erforderlich.

Valproat (auch Valproinsäure genannt)

Ebenfalls ein Antiepileptikum. Besser geeignet bei psychotischer Manie, Rapid Cycling und gemischten Zuständen und daher Stimmungsstabilisierer 1. Wahl in diesen Fällen.

Dosierung: initial 300 mg, 900 – 1800 mg täglich in der Akutphase

Behandlungsindikation: Akute psychotische Manie, Rapid Cycling, gemischte Zustände

Nebenwirkungen: Müdigkeit, Übelkeit, Verdauungsstörungen, Erhöhung der Leberenyzme; selten: schwere Leberstörungen, Blutbildstörungen und Bauchspeicheldrüsenentzündung

Gegenanzeigen (Kontraindikation): Die Leibesfrucht schädigenden Eigenschaften verbieten die Anwendung bei Schangeren.

Wirkungsweise: Das Säureamid des Valproats ist das zweitälteste Antiepileptikum, bei dem 1966 eine therapeutische Wirkung bei akuten Manien und Wirkungsverstärkung von Neuroleptika nachgewiesen werden konnte.

Wechselwirkungen (mit anderen Medikamenten): Enzyminduzierende Antiepileptika (Phenobarbital, Carbamazepin, Phenytoin) Valproinsäurespiegel erniedrigt/Phenytoin- und Phenobarbitalspiegel erhöht Codein: Beeinflussung von Metabolismus und Proteinbindung des Codeins. Barbiturate, Primidon: Zentraldämpfende Wirkung verstärkt. Antidepressiva, Neuroleptika: Zentraldämpfende Wirkung verstärkt. - Antikoagulanzien: Erhöhte Blutungsneigung. Acetylsalicylsäure: Erhöhte Blutungsneigung/Anteil der freien Valproinsäure durch ASS erhöht - Hepatotoxische Arzneimittel und Alkohol: Erhöhte Lebertoxizität nicht auszuschliessen.- Lamotrigin: Hemmung des Metabolismus von Lamotrigin: Hinweis: Bei Diabetikern mit Verdacht auf Ketoazidose falschpositive Reaktion auf Ketonkörper möglich.

Weitere Informationen zu  Stimmungsstabilisierern finden sie bei:

http://www.verein-horizonte.de/iehtml/infonedframe.htm © by Dr. H. Pfeiffer, BKH-Haar

Lamotrigin

Für die Bandlung von manisch-depressiven Erkrankungen ist als Stimmungsstabilisierer jetzt auch der Wirkstoff Lamotrigin zugelassen, der unter dem Handelsnamen Elmendos ® vertrieben wird.

 

Dosierung: 200 - 400 mg/d

 

Die Aufdosierung muß sehr langsam erfolgen:

in Woche 1+2 50mg/d, dann in entsprechenden Zeitabständen je 50mg/d mehr bis zur Erhaltungsdosis

 

 

Behandlungsindikation:

Phasenprophylaxe bipolar affektiver Störungen, bipolare Depressionen, rapid cycling ???

 

 

Hauptnebenwirkungen:

Hautausschläge, Kopfschmerz, Schwindel, Tremor, Sedierung

 

 

Kontraindikationen:

schwere Leberfunktionsstörungen

 

 

Wirkungsweise:

Antikonvulsivum mit phasenprophylaktischer Wirkung, wird in der Leber verstoffwechselt, bei Funktionsstörungen dieses Organs Dosis anpassen.

 

 

 

Wechselwirkung mit anderen Medikamenten: Vorsicht bei Kombination mit Valproinsäure, doppelt so langsam aufdosieren.                                                            

In vergleichen Studien mit Lithium, Lamotrigin und Placebos kamen Wissenschaftler (Calabrese et al. ) zu dem Ergebnis, dass Lamotrigin vorwiegend bei der Prävention depressiver Episoden und Lithium zur Prävention manischer Episoden wirksamer war. Dies bedeutet, dass möglicherweise bei (hypo-) manischen Episoden ein weiterer Stimmungsstabilisierer gegeben werden muß.

 

Weitere Nachweise