"Umgeben von tausend Gefahren, müde, kraftlos,
vor tausend Schrecken zitternd bin ich ... in einem Sarg aus Fleisch bei
lebendigem Leib begraben. - William
Cowper, Englischer Dichter von 1731 - 1800"
„Obwohl die manisch-depressive Krankheit bei Schriftstellern und Künstlern
häufiger verbreitet ist als in der Normalbevölkerung, wäre es
unverantwortlich, eine extrem schmerzvolle, zerstörende und tödliche
Krankheit zu romantisieren.“ (Kay
Redfield Jamison 1994)
Die Ursachen der Erkrankung sind nicht genau
bekannt. Man vermutet einerseits eine gewisse erbliche Veranlagung
(vermehrter Ausbruch der Krankheit, wenn in der Familie bereits depressive,
manisch-depressive oder sonstige psychische Erkrankungen aufgetreten sind),
andererseits eine biologische Ursache durch Störung in den Synapsen der
Nervenzellen im Gehirn, wodurch die Nerven-Botenstoffe Dopamin, Noradrenalin
und Serotonin anders als bei gesunden Patienten vermehrt bzw. vermindert
transportiert werden. Mit dem Magnetresonanz- verfahren (MRI) und dem
Positronen-Emmissions-Tomographen (PET) können auffällige Veränderungen
betroffenen Gehirngewebes bipolar Erkrankter bildlich dargestellt werden.
Ein weiteres Modell:
Wie auch immer das biochemische Problem beschaffen sein mag, das man leider
nicht exakt messen kann ist, machen es die auftretenden Schwierigkeiten in
der Familie, Schule oder am Arbeitsplatz deutlich, dass Leute mit bipolarer
Störung bei emotionalem und physischem Stress verletzlicher sind. Im
Ergebnis können umwerfende Lebenserfahrungen, Alkohol-, Drogen und/oder
Medikamentenmissbrauch, Schlafmangel oder andere Stressoren
Krankheitsepisoden verursachen, auch wenn diese Belastungen nicht im
Augenblick die Störung herbeiführen. Diese Theorie einer
angeborenen/anlagebedingten Verletzlichkeit (Vulnerabilität) im Zusammenhang
mit einem umweltbedingten Auslöser ist ähnlich den Theorien, die für manch
andere Krankheit vorgeschlagen werden. Die nachfolgende Graphik aus einem
Skript von Yvonne Barthel verdeutlicht das.
Die Erkrankung ist anders als ein Beinbruch
schwer, die Behandlung langwierig, möglichst aus einer Kombination von
Medikamenten und Psychotherapie. Die Erfolge sind in den letzten Jahren
durch neue Medikamente als gut zu bezeichnen. Gleichwohl können nur die
schlimmsten Symptome verhindert werden, Rückfälle sind nicht ausgeschlossen,
eine lebenslange Einhaltung eines gesunden Lebensstils notwendig. Jeder
Mensch ist einzigartig und anders.
Als besonders hilfreich bei der Bewältigung der
bipolaren Störungen hat sich das Akzeptieren der Krankheit, die Suche nach
einem guten Arzt und Psychotherapeuten, die gute und vertrauensvolle
Zusammenarbeit mit diesen, das Herausfinden der richtigen
Medikamentenkombination sowie der Aufbau eines Hilfesystems mit Familie,
Freunden und Bekannten sowie der Beitritt zu einer Selbsthilfegruppe
erwiesen.
Zum Schluss dieses Kapitels soll nicht
verschwiegen werden, dass es auch Einzelne und Gruppen gibt, die vehement
die Einnahme von Medikamenten ablehnen oder nur ausnahmsweise in
Krisensituationen akzeptieren. Die Gefahr eines Rückfalls ist in diesen
Fälle nach Absetzen der Medikamente um ein Vielfaches höher als bei der
Einnahme von Medikamenten zur Rückfallverhütung. |